Lesung Lukas Bärfuss


Bei den diesjährigen Heidelberger Literaturtagen (ein seit 1994 stattfindendes Literaturfestival, dieses Jahr vom 2. bis 5. Juni) war auch ein Autor dabei, den ich mir nicht entgehen lassen konnte: Lukas Bärfuss. 
 
Mit seinem letzten Roman „Koala“, welcher den Selbstmord seines Bruders behandelt, gewann er den Schweizer Buchpreis und war zuvor mit diesem auch für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert. Zu zahlreichen anderen Preisen gesellte sich am 10. Mai zudem der Johann-Peter-Hebbel-Preis.
Bärfuss sollte in dieser Lesung, welche die Literaturtage am letzten Sonntag abschloss, seinen neuen, noch nicht erschienenen Roman „Hogarth“ vorstellen – allerdings las er stattdessen einen Auszug aus seinem Essay-Band „Stil und Moral“ und präsentierte einen bisher unveröffentlichten Text.
 
 
Traditionell finden die Literaturtage in einem Zelt auf dem Uniplatz mitten in der Altstadt statt und dieses Jahr war auch das Spiegelzelt, ein Belgisches aus dem Jahre 1910, eine Neuheit. In einem ebenso stimmungsvollen wie eigenwilligen Ambiente, erläuterte Bärfuss, dass man als Künstler bzw. Schriftsteller „immer wieder dasselbe und doch etwas ganz anderes mache“, da die eigene Kunst immer um zwei oder drei Themen kreise, welche den Künstler selbst besonders beschäftigen. Man erschaffe sich so „denselben Spiegel wieder“. In seinem Fall fessle ihn beispielsweise besonders der Unterschied zwischen Imagination und Erinnerung, welchen er in Sprache abstrakt abzubilden sucht. 
 
 
Da sich das Visuelle jedoch niemals eins zu eins in Sprache umsetzen lässt, handelt es sich dabei doch um zwei komplett verschiedene Ansätze, versucht Lukas Bärfuss sehr exakt in seinen Beschreibungen zu sein. Meiner Ansicht nach ist seine Prosa auch deshalb so detaillreich, so explizit deskriptiv und akribisch nebensatzreich (mich erinnert er damit immer an Kleist), weil er danach strebt, seine Vorstellung einer Szene besonders eindeutig in Sprache umzusetzen, damit sich jeder Leser das möglichst exakt gleiche Bild beim Lesen vorstellt.
 
 
Die Lesung mit ihren beiden unterschiedlichen (und doch gleichen) Texten, in denen es um eben jene Diskrepanz zwischen Vorstellung und Erinnerung geht, war ein hervorragender Einblick in Bärfuss literarisches Schaffen und er selbst präsentierte sich als sehr sympathischer und humorvoller Autor, der einen komplexen schriftstellerischen Ansatz verfolgt und so einzigartige, lesenswerte Literatur erschafft.
 
Leider gibt es einen Punkt, den ich bemängeln muss. Dieser hat jedoch weder mit Bärfuss selbst noch seiner Lesung an sich zu tun: Es geht mir um die Politisierung dieser Lesung durch die mangelhaft vorbereitete Moderation. Denn anstatt über die Inspiration oder das literarische Schaffen, oder gar die Inhalte von Bärfuss Schreiben zu sprechen, wurde schon bei der Vorstellung des Autors zu Beginn explizit auf seinen FAZ-Artikel hingewiesen, mit welchem er zu den rechtsradikalen Kräften in der Schweiz Stellung bezog. Literatur kann politisch sein, muss es aber nicht. Bei einer solchen Lesung wie dieser, die auf Grund der vorgestellten Texte schon so eindeutig um die Kernfragen des Schriftstellertums kreisen (man denke nur an den autobiographischen Text aus „Stil und Moral“, der Titel hier bietet an sich schon genug Anlass), so böte es sich hier doch wirklich an, auch über die LITERATUR zu sprechen – und nicht über Politik.
Lukas Bärfuss ist einer der hervorragendsten zeitgenössischen Schriftsteller und es war eine Freude, ihn einmal live aus seinen Texten lesen zu hören.
 

Interesse an dem Roman „Koala“, an „Stil und Moral“ oder einem anderen Werk von Lukas Bärfuss? Hier geht es zu seinen Büchern auf der Verlagsseite:
 

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