Ein Leben für die Kunst: Das Viertel der Maler


Ein Maler in Paris. Farbe, Form, Komposition, Textur. Jeden Tag dieselbe Routine, eingekleidet in das Elend, das mit dem Künstlerdasein unter Hunderten anderen, ebenso kunstfertigen und möglicherweise ebenso talentierten Künstlern, einhergeht. Man lebt gemeinsam und dabei doch allein, denn die anderen Künstler sind Chimären – Freunde, Konkurrenten, Rivalen. Obsessiver Arbeitsdrang und die geringe Hoffnung, irgendwann doch noch entdeckt zu werden, sind es, die den Stilllebenmaler weitermachen lassen. Aufgebrochen wird dieses triste Leben nur durch die Besuche in den Cafés am Montparnass, in denen sich die Künstler tummeln, meist ohne sich einen einzigen Kaffee leisten zu können. Man sucht nach Käufern, nach Galeristen, nach Frauen, die das eigene Elend kurzfristig ertragbar machen. Doch wenn man sie schließlich findet, diese prekäre Anerkennung, auf die man so lange gewartet hatte, dann dreht es sich alsbald weiter, das Rad der Fortuna – und es wird klar, wie flüchtig der Ruhm, der Erfolg und auch die Liebe ist.

„Möglicherweise sind meine Freunde nicht unfähig.
Vielleicht Revolutionäre? Ich achte nicht mehr auf ihre Schüchternheit, wenn sie das Viertel verlassen. 
Zu Hause ist ihre Sprache nämlich entschlossen und grob.
Ihre Gespräche sind leidenschaftlich. Wenn sie ‚Komposition’ sagen, ‚Form’, ‚Farbe’, 
könnte man meinen, sie diskutierten ihren Glauben.
Möglicherweise sind sie nicht unfähig, sondern Revolutionäre
auf der Suche nach neuen Wegen.“

„Das Viertel der Maler“ von Michel Matveev schildert das Leben und Arbeiten eines Stilllebenmalers in den 1920er und 1930er Jahren in Paris. Aber das romantische Bild, welches wir uns vom Leben eines Kreativen machen, bekommt im soghaften Stream of Consciousness zahlreiche Brüche, die im Verlauf des Romans immer stärker aufbrechen.  Inspiriert von seinen eigenen Erfahrungen als Bildhauer zeichnet Matveev den exemplarischen Lebensweg eines sich abmühenden, schließlich aufstrebenden Künstlers. Armut, Hunger und Obsession bestimmen das Leben des Künstlers, der in dem kleinen, heruntergekommenen Künstlerviertel in einem winzigen Zimmerchen wohnt und arbeitet. Er tut es für die Kunst – sie alle tun es für die Kunst. Leinwand, Farbe, Terpentin ist, was sie leben, was sie atmen. Nach Ruhm und Anerkennung dürsten sie, nach dem Erfolg, der nur den wenigen, von Fortuna Geküssten, zu Teil wird. Sie beherrschen ihr Handwerk, diese Maler, die sich wie unser namenloser Protagonist mehrheitlich auf Stillleben konzentriert haben. Jeden Tag perfektionieren sie ihren Blick, den Duktus ihres Pinsels, die Fokussierung ihres Seins noch ein wenig mehr auf das einzige, was ihr Denken ausfüllt: die Kunst.
Gespräche mit befreundeten Künstlern, Liebschaften mit Frauen, die routinierten Cafébesuche sind nur kurzweilige Ablenkungen vom Einzigen, vom Wahren. Ein Leben am Rande des Elends für die Kunst, für die vage Hoffnung auf die allzu flüchtige Anerkennung und ebenso kurzfristige finanzielle Sorglosigkeit, das ist, wofür sie sich alle bewusst entschieden haben und jeden Tag aufs Neue entscheiden.
„Das Viertel der Maler“ ist ein authentisches und in seiner Intensität herausragendes Porträt eines Jahrzehnts und einer Gesellschaftsschicht, die in unserer heutigen Zeit durch die zuweilen irrationalen Launen des Kunstmarktes einen profunden Wandel erfahren hat. Die Gewichtung liegt dabei heute weniger auf der Beherrschung des Handwerks, sondern eher auf der Originalität der Idee.
Michel Matveev ist einer jener vergessenen Autoren, die in Inhalt und Stil brillieren und denen es gelingt, die Essenz einer Zeit in Romanform zu destillieren.

Das Viertel der Maler
von Michel Matveev
2016 Weidle Verlag
ISBN 978-3-938803-76-9
 
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Kommentare

  1. Hallo Charlotte,
    das Buch klingt ganz wunderbar!
    Übrigens habe ich dich für den 'Versatile Blogger Award' nominiert (:
    https://paperandpoetryblog.wordpress.com/2017/02/26/versatile-blogger-award/ und hoffe, das ist ok! :)
    Liebe Grüße
    Mia

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