Verwandlung durch Liebe: Metamorphose am Rande des Himmels
Bereits als kleiner Junge wollte Tom Cloudman nichts anderes als
Fliegen zu können, schon immer unterhielt er seine Mitmenschen mit seinen
waghalsigen, jedoch zum Scheitern verurteilten, Flugversuchen. Welche Laufbahn
käme da eher infrage als die eines Stuntmans? Doch Tom ist und bleibt ein
Tollpatsch mit erhöhter Verletzungsgefahr, ein wirklicher Stuntman kann er so
nicht werden. Deshalb bricht er komplett aus der Normalität aus und baut sich sein
eigenes, rollendes Fortbewegungsmittel, einen Sarg, mit welchem er von Ort zu
Ort ziehen kann, um seine risikoreichen Flugversuche zum Besten zu geben. Schon bald gehören für seine Zuschauer die Bruchlandungen mit zu Toms
Kunststücken, dessen Gesundheit leidet jedoch mit jedem Absturz mehr. Er will es aber nicht wahrhaben, weder sein zunehmendes Alter, noch
dass sein Traum vom Fliegen unmöglich ist und verletzt sich bei einem
missglückten Stunt so sehr, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dort
fühlt er sich eingeengt und die tödliche Diagnose raubt ihm den Atem - bei
einem Fluchtversuch trifft Tom dann auf die schöne Endorphina, die ihm ein
ungewöhnliches Angebot macht.
Mathias Malzieu hat eine ganz eigene, zauberhafte Prosa, welche auch
in seinem märchenhaften Roman „Metamorphose am Rande des Himmels“ bildhafter
und reicher an originellen Metaphern nicht sein könnte.
Tom Cloudman ist ein Aussteiger aus der Gesellschaft, der besessen
seinem Traum vom Fliegen und dem Adrenalinrausch in eine gefährliche und
potentiell tödliche Situation nach der anderen folgt. Innerlich ein Kind
geblieben, stur auf seinen Träumen beharrend, bemerkt er gar nicht, wie seine
Lebenszeit verfliegt. Er verdrängt, dass er immer längere Erholungs- und Heilungszeiten nach
seinen waghalsigen Stunts benötigt, bevor er sich an den nächsten wagen kann.
Sein Wanderleben strapaziert ihn zusehends, doch er weigert sich etwas an seiner
Einstellung oder gar seinem Leben zu verändern - seine Träume sind schließlich alles,
was er hat und was ihn ausmacht.
Im Krankenhaus wird er dann mit der brutalen Realität konfrontiert:
Die Jahre sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen, ganz im Gegenteil, er hat
Krebs, der ihn innerlich zerfrisst und sich gnadenlos immer weiter ausbreitet. Tom kann es nicht akzeptieren, den Rest seiner Tage eingesperrt im
Krankenhaus, gefesselt an sein Bett zu verbringen und versucht zu fliehen. Der
Krebs hat ihn aber schon zu sehr geschwächt. Dennoch sorgt er ganz seiner
Gewohnheit nach für Aufregung im Krankenhaus mit seiner verrückten Art, so
beginnt er sich neue Flügel zu bauen aus nächtlich gestohlenen Kopfkissenfedern
und einem in Form gebogenen Tropf. Als er eines Tages sein eigenes Kopfkissen randvoll mit den schönsten,
flauschigsten roten Federn vorfindet, ist seine Neugier geweckt. Auf dem
Krankenhausdach begegnet er schließlich der geheimnisvollen Vogelfrau
Endorphina. Sie verspricht ihm Heilung und die Erfüllung seines ältesten
Wunsches: dem Traum vom Fliegen. Doch es gibt eine Bedingung - Tom schreckt das
jedoch keinesfalls ab. Es ist seine einzige Chance auf Leben und jemals wahrhaftig
fliegen zu können, Tom ergreift sie ohne zu zögern.
Mathias Malzieu hat mit „Metamorphose am Rande des Himmels“ eine
phantastische Liebesgeschichte geschrieben. Tom Cloudman kann nur durch die
Liebe zur Vogelfrau Endorphina (deren Name wie der des Protagonisten
symbolträchtiger nicht sein könnte, so verheißungsvoll und glücksbringend ist
sie) eine Verwandlung durchmachen und so geheilt ein neues Leben beginnen.
Endorphina hingegen riskiert bewusst den Verlust von Tom, nur um ihm so das
Leben zu retten und ihm seinen Lebens- und Herzenswunsch zu erfüllen.
Auch in einer zauberhaften Welt wie dieser, welche Malzieu
bildgewaltig vor dem Leser ausbreitet, ist niemand vor dem Tod gefeit. So kann
nur die Kraft der Liebe den Tod besiegen und ihn in der größtmöglichen Metapher
als Verwandlung in etwas Neues überwinden.
„Metamorphose am Rande des Himmels“ ist ein wunderschöner, kleiner
Roman, dessen ebenso liebevolle wie zauberhaft-phantastische Welt einen als
Leser lange nicht mehr loslässt. Ein kurzweiliges Vergnügen ist es, in Malzieus
metaphernreicher, ganz einzigartiger Prosa zu versinken - eine eigenwillige
literarische Stimme, deren Nähe zum Märchen einer verwunschenen Rarität
gleichkommt. Benjamin Lacombes Illustrationen übersetzen dabei den Zauber von
Mathias Malzieus Prosa in eine ebenso märchenhafte Optik.
Metamorphose am Rande des Himmels (orig. Métamorphose en bord de Ciel)
von Mathias Malzieu
2013 carl’s books
ISBN 978-3-570-58520-7
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