Illegale Schokolade, Mafia und die Liebe: Bitterzart


16 Jahre ist Anya alt, als ihre Großmutter stirbt und sie somit zum Familienoberhaupt der Balanchine-Familie wird. 
Ihr Vater Leonyd Balanchine hatte den illegalen Handel mit Schokolade und Kaffee im New York des Jahres 2083 zum Imperium ausgebaut. Da ihr älterer Bruder Leo geistig etwas zurückgeblieben ist, übernimmt Anya die Obhut über ihn und ihre kleine Schwester Natty. Zugleich drängen aber die illegalen Geschäfte der Balanchines in ihr Leben, dabei will Anya doch nur ihren Abschluss machen und mit den Mafia-artigen Strukturen des Familienimperiums gar nichts zu tun haben. Als sie sich in Win verliebt, den Sohn des Staatsanwaltes Charles Delacroix, sieht letzterer seine Karriere gefährdet und lässt keinen Versuch aus, Anya, die Mafiatochter, von seinem Sohn zu trennen – und sei es mit strafrechtlichen Mitteln. Anya versucht verzweifelt, ihre Familie zusammenzuhalten, sich von ihrer großen Liebe Win fernzuhalten und den Zorn seines skrupellosen Vaters nicht auf sich zu ziehen. 
Aber eine Balanchine zu sein bedeutet, dass es Anya wohl kaum gelingen wird, den Intrigen, Skandalen und Gesetzesbrüchen zu entgehen – besonders nicht, wenn ihr ein machtgieriger Staatsanwalt auf den Fersen ist, dem nichts besser gefallen würde, als Anya für lange Zeit hinter Gittern zu sehen …

Der großartige Auftakt zu einer Jugendbuchtrilogie, die es in sich hat! 
Vor der Kulisse eines futuristischen New York, das in seiner Rückständigkeit (Wasser und Papier sind knapp, Kleidung gibt es nur gebraucht) eher an die Zeit der Prohibition in den 1920er Jahren erinnert, entwirft uns Gabrielle Zevin ein opulentes Romangeschehen. 
Anya, die Protagonistin, sieht sich gefangen zwischen ihrer Liebe zu Win, die sehr shakespearean anmutet, und ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Familie und ihrem Erbe. Denn sie muss erkennen, dass sie sich ihren Wurzeln niemals wird ganz entziehen können, sie wird immer eine Balanchine bleiben - und genau das steht ihr nicht nur bei ihrer Beziehung zu Win im Weg, sondern droht ihr gesamtes Leben zu bestimmen. Dennoch bleibt Anya stark, behauptet sich und verrät niemals ihre Prinzipien, das Wohl ihrer Geschwister kommt für sie immer vor ihrem eigenen. 
Mit Anya haben wir auf Grund ihres familiären Hintergrundes eine durch und durch sympathische Antiheldin vor uns, welche durch die einfühlsame Portraitierung ihrer Persönlichkeit, ihrer Skrupel und Zerrissenheit, jedoch nie unnahbar wirkt, sondern im Gegenteil äußerst lebendig und authentisch. 
Die Zeit der Prohibition in der Zukunft erneut aufleben zu lassen ist eine furiose Idee, die dem Roman einen nostalgischen Touch verleiht und ihn so ganz klar abgrenzt von den vielen anderen Einheitsbrei-Dystopien. 
Die Mafiastrukturen der Familie Balanchine und der schwelende Konflikt mit Wins Vater geben dem Roman noch eine weitere, spannungsgeladene Nuance, die nur in einer Eskalation gipfeln kann. 
Ob Anya sich am Ende von den Fesseln ihres Erbes befreien kann oder ganz neue Wege einschlägt, erfahren wir Leser wohl erst im dritten Band dieser außergewöhnlichen Trilogie.
Es dürfte sich im Grunde erübrigen zu erwähnen, dass dieser Roman wohl kaum mithalten kann mit der sprachlichen Wucht Teresa Präauers, der zarten Poesie Lucy Frickes oder dem düsteren Humor Antonio Fians. Die Qualität von „Bitterzart“ liegt stattdessen vielmehr im Inhaltlichen, im narrativen Bereich, im Fluss der Handlung, im Einfallsreichtum und der Originalität der Autorin.

P.S. Vielen Dank für die grandios gewählten deutschen Titel! Auf „Bitterzart“ folgen „Edelherb“ und dieses Frühjahr schließlich – von mir heiß ersehnt - „Extradunkel“.

Bitterzart (orig. All these things I’ve done) 
von Gabrielle Zevin 
2013 Fischer FJB 
ISBN 978-3-8414-2130-2
 
Interesse? Hier geht es direkt zum Buch auf der Verlagsseite:

Ab dem 19.02.2015 dann auch als Taschenbuch bei Fischer:

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