Über das Loslassen und einen Neuanfang: Althea & Oliver


Oliver und Althea kennen sich seit sie Kinder waren. Sie sind unzertrennlich, fast wie Zwillinge, und verbringen die meiste Zeit miteinander. Doch schon seit einer Weile will die wilde, manchmal unberechenbare Althea mehr von Oliver. Sie liebt ihn und sehnt sich danach, dass er ihre Gefühle erwidert. Aber Oliver ist sich nicht sicher, es geht ihm alles viel zu schnell. Der Kuss nach der geplatzten Party war auch eher dem Alkohol geschuldet als Verliebtheit, findet er. Für Althea ist der Kuss ganz anders – er ist der Auftakt, auf den sie schon so lange vergeblich gewartet hat. Sie ist sich ganz sicher, dass jetzt alles so kommt, wie sie es sich vorgestellt hat, als Oliver plötzlich wieder eine seiner Episoden hat. Es ist die längste bisher, er verschläft Monate. Kein Arzt konnte bisher sagen, was ihm fehlt, er hat das Kleine-Levin-Syndrom. 
Angespornt durch den Kuss und was sie in ihm zu sehen glaubt, trifft Althea, als Oliver schläft, eine Entscheidung, die sie beide betrifft und welche sie nicht zurücknehmen kann. Als Oliver das nächste Mal aufwacht ist alles anders: Nicht nur sind Monate vergangen, auch zwischen ihm und Althea scheint alles verändert. Als Oliver schließlich von Althea erfährt, was sie getan hat, ist er schockiert. Er entschließt sich das Angebot einer Schlafstudie in New York anzunehmen und Althea hinter sich zu lassen. Althea kann es nicht fassen und nach weiteren, gravierend schlechten Entscheidungen macht sie sich auf nach New York, um Oliver zu finden – und sich selbst.
 
Eine Liebesgeschichte, die keine ist, das beschreibt Christina Morachos Roman „Althea & Oliver“ am treffendsten. 
In wechselnden Perspektiven wird von Oliver und Althea erzählt, wie sie sich fanden, sich verloren und wieder fanden. Das meint keinesfalls, dass Althea doch noch das Happy End bekommt, von dem sie seit Jahren geträumt hat – im Gegenteil. Der Plot bleibt realistisch und gehört nicht zu diesen verkrampften Versuchen, alles rosa, realitätsfern und wunderbar zu gestalten. Immerhin kommt es nicht immer so, wie man es sich wünscht. Besonders nicht in Herzensdingen. Aber gerade diese Realitätsnähe macht diesen Roman so außergewöhnlich, selten liest man einen so aufrichtigen All-Age-Roman, der nicht bemüht ist, sich in seiner Story zu verrenken. 
Einfühlsam beschreibt die Autorin das Gefühlsleben ihrer zwei unterschiedlichen Protagonisten. Zum einen ist da Oliver, der gequält von seiner Krankheit keine Zukunft für sich sieht und genau dann auch noch von seiner besten Freundin furchtbar enttäuscht wird. Althea, andererseits, wirkt jedoch nie selbstsüchtig, ihre Handlungen und Entscheidungen sind nachvollziehbar, wenn auch nicht immer unbedingt gut zu heißen. Nach dem Streit mit Oliver und seiner kommentarlosen Abreise gen New York lässt sie sich in einen selbstzerstörerischen Abwärtsstrudel abgleiten, um sich selbst zu bestrafen und ihrem nicht vorhandenen Selbstwert Genüge zu tun. Im Grunde ist sie die interessantere Persönlichkeit, so zerrissen, enttäuscht und voller Selbsthass ob ihrer Entscheidungen. Dennoch schafft sie es, trotz ihrer Fehler, sich eine eigene Zukunft zu schaffen und Oliver schließlich hinter sich zu lassen. 
Sie sind beste Freunde, kein Zweifel, doch sie werden nie zusammen sein. Diese Erkenntnis und ihre Zeit auf sich allein gestellt in New York machen Althea stärker, unabhängiger und freier als sie es je als Olivers Anhängsel war. 
In wunderschöner Sprache lässt uns Christina Moracho eintauchen in eine scheinbar ausweglose Situation, eine verpatzte Freundschaft, eine vergebliche Liebe und schafft es dennoch, ihre Geschichte dabei so unglaublich authentisch und aufrichtig zu erzählen. 
„Althea & Oliver“ ist ein Roman über den Verlust von Illusionen, über schlechte Entscheidungen, über Vergebung, Irrwege, Selbstfindung und das Erwachsen werden. Ganz große Literatur darüber, den eigenen Weg zu finden - auch wenn das bedeutet, das loszulassen, was einem einmal am meisten am Herzen lag.

Am Ende hier noch eine kleine Erklärung, weshalb es sich auf dem Photo und in den bibliografischen Angaben um die englischsprachige Ausgabe handelt. 
Meiner Meinung nach sollte man - sofern möglich natürlich - einen Titel immer im Original lesen, weil egal wie gut ein Übersetzer ist (zuweilen sind sie auch besser als die schlechten Autoren, die sie übersetzen^^), ist es doch nie das, was der Autor sagen wollte. Eine Übersetzung ist immer eine Interpretation eines Textes, sie kommt dem Text zwar nahe, bleibt ihm aber gleichzeitig doch fern. 
Deshalb meine Bitte: Lest Bücher im Original. Es ist so viel authentischer - und es bildet.

Althea & Oliver (dt. Zwillingssterne) 
von Christina Moracho 
2014 Viking 
ISBN 978-0-451-47263-2
 
Interesse? Hier geht es direkt zum Buch auf der Verlagsseite:

Oder doch lieber auf Deutsch in der schönen Ausgabe beim Königskinder Verlag?

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