Exzesse en masse: Biester
Laura, Anfang dreißig, noch kein bisschen erwachsen, arbeitet in einem
Callcenter, obwohl sie eigentlich schon seit Jahren vergeblich und mittlerweile
mehr als etwas verzweifelt versucht, ihren Roman zu schreiben. Aber der Roman
will einfach nicht kommen – oder will Laura am Ende gar nicht? Anstatt zu
schreiben, stürzt sie sich wieder und wieder in endlos exzessive Partynächte
mit ihrer besten Freundin Tyler, die zwar unwesentlich jünger ist als Laura,
aber dennoch nicht viel mehr vorzuweisen hat: Eine Wohnung, die sie ihrem Vater
abgenötigt hat und einen Job im Coffeeshop.
Es könnte sich aber bald etwas gravierend verändern in Lauras und
Tylers Co-Abhängigkeit, denn Laura ist jetzt verlobt. Jim war früher genau wie
Laura und Tyler, doch seit seine Karriere als Pianist Fahrt aufgenommen hat,
hält er sich fern von Alkohol, Drogen und Partys. Was Laura nicht gerade von
sich behaupten kann. Tyler scheint umso erpichter, Laura in einen Strudel aus
Alkohol, Blackouts, Verwüstung und „Morgen danach“ zu ziehen, jetzt, da Lauras
Verlobung alles in Frage stellt. Schließlich kann sie diesen Lebensstil kaum
weiterführen, wenn sie erst mit dem abstinenten Jim verheiratet ist (und wohnen
wird sie dann wohl auch bei Jim und nicht bei Tyler …).
Als sei das nicht genug, beginnt auch Lauras Beziehung mit Jim immer
mehr zu bröckeln, Lebensziel und –anschauungen variieren dann doch zu sehr.
Laura muss beginnen, sich sich selbst zu
stellen, ihrem verkorksten Leben, ihren verpassten Chancen, wenn sie nicht den
Rest ihrer Jugend im Schatten der extrovertierten, vorlauten Tyler verbringen
will.
Wie die endlose Partynacht, nach der Tyler zu streben scheint, liest
sich dieser Roman. Er ist frisch, ehrlich, dabei humorvoll und nimmt kein –
wirklich absolut kein – Blatt vor den Mund; Unsworth schreibt, was andere sich
nicht einmal zu flüstern trauen.
Mit Laura haben wir eine verlorene Protagonistin vor uns, die mit sich
selbst nicht allzu viel anzufangen weiß. Sie folgt Tyler, einer extrem
extrovertierten, lauten Persönlichkeit überall hin, weil Tyler nun mal ihre
momentane Bezugsperson und somit beste Freundin ist. Von einer früheren
Freundin, so empfand Laura sie zumindest, hat sie ihre scheinbar einzige
Lebensweisheit aufgeschnappt, an welche sie sich in ihrem Taumel aus Absturz
und Betäubung verzweifelt klammert: „Weiße Pisse gut, dunkelgelbe schlecht“.
Allein das sollte uns schon deutlich machen, mit was für einer verlorenen,
verwirrten Persönlichkeit wir es zu tun haben. Laura lässt sich treiben,
schwimmt mit ihrem Strom, also Tyler, und vergisst dabei, sie selbst zu sein,
sich eigene Ziele zu suchen und diese zu verwirklichen. Mit Anfang dreißig wird
es aber dann doch auch für Laura irgendwann Zeit, zu erkennen, dass sie ihr
eigenes Leben verpasst und versuchen sollte, erwachsen zu werden, die Partys
hinter sich zu lassen und endlich ihren eigenen Weg zu finden.
Emma Jane Unsworth zeigt uns das Paradebeispiel einer verlorenen
Generation, weder mit Ziel noch Motivation gesegnet, verloren in der Betäubung
einer nie endenden Partynacht. Als Chronistin dieser Generation, mit dem
Talent, das Ganze noch mit einer Prise enorm englischen, schwarzen Humors zu
versetzen, beweist sich Emma Jane Unsworth als eine phantastische, talentierten
Autorin, von der bestimmt nicht nur ich mehr lesen möchte.
Biester (orig. Animals)
von Emma Jane Unsworth
2014 Metrolit Verlag
ISBN 978-3-8493-0350-1
Interesse? Hier geht es direkt zum Buch auf der Verlagsseite:
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